Durch die Wildnis von Feuerland

Kapitel 1
Durch die Wälder und Täler der Selk'nam

Unter anderem auch deshalb, weil ich mich – kaum zu glauben – im Abflugsdatum meiner Maschine nach Buenos Aires geirrt hatte und deshalb einen unfreiwilligen Aufenthalt in Frankfurt einschieben musste. In Buenos Aires ging ich stracks zum Instituto Geographico Militar, um mir das nötige Kartenmaterial zu besorgen. Dann ab mit dem Taxi zum Busbahnhof für die grossen Distanzen. Die ersten dreitausend Kilometer brachte ich in einem komfortablen Reisebus hinter mich, von Rio Gallegos nach Rio Grande war es nur noch ein ordinärer Überlandbus, und für die Fahrt nach Ushuaia auf der Schotterpiste wurde ein staubiges klapperndes Vehikel verwendet, dass sich unter Ächzen und Dröhnen zum Paso Garibaldi hochschraubte. Ushuaia war mir zwei Tage wert, dann hatte ich alle noch benötigten Dinge zusammen. Der Marsch begann. Ich nahm ein Taxi und liess mich zum Eingang des Parque National Tierra del Fuego fahren. Ich wollte den Stempel für den Eintritt auf die Stirn haben, und die Mädchen am Schalter lachten – kein schlechter Abschied von der Menschheit. Denn die nächsten sechs Tage war ich alleine. Ich steuerte auf verschiedenen Pfaden auf den Rio Pipo zu. Dass der Weg entlang dieses Flusses an den Lago Kami schon seit einigen Jahren gesperrt ist, war mir bewusst. Doch ich suchte nunmal die Abgeschiedenheit, zudem hätte ich für die anderen Wanderwege zunächst mal einen Tag auf der Ruta 3 wandern müssen, und das wollte ich nicht. Das Schild mit dem Gebot „No Trespassing!“ liess ich also hinter mir und war allein mit dem Fluss und dem Wald und den links und rechts steil aufragenden Bergen. Dort oben schien es zu schneien. Gut, ich hatte ja die nötige Ausrüstung dabei. Da der alte Wanderweg schon nach kurzer Zeit nicht mehr auszumachen war, suchte ich mir meinen eigenen Weg durch’s Unterholz. Hier und da folgte ich auch einem Pfad der Wildpferde. Bei einem Erdrutsch war dann plötzlich Schluss, und ich musste ans andere Ufer. Völlig grün suchte ich mir die wahrscheinlich tiefste Stelle aus und wurde prompt nass…
In der Nacht schneite es, und morgens war der Himmel grau und verhangen, so dass ich mein Zelt nass einpacken musste. Beim Weitermarsch am Vormittag merkte ich dann, dass ich viel langsamer vorwärts kam, als ich das in Deutschland geplant hatte. Etwa einen Kilometer schaffte ich pro Stunde, und das obwohl ich pausenlos vorwärtsging. Doch die umgestürzten Bäume, die durch die steilen Hänge immer genau quer zu meiner Marschrichtung lagen, der sumpfige Boden und die endlosen Windungen des Flusses, dazu das Gewicht des Rucksacks, machten es mir unmöglich, schneller voranzukommen. Nachmittags kam ich aus dem Wald heraus und auf ein langgezogenes Turbiafeld. Turbia ist dieses seltsame moosartige Gewächs, in das man mitunter bis zum Knöchel einsinkt. Doch nun sah ich endlich die Berge rings um mich, mit Schnee oberhalb der Baumgrenze, und darunter der dichte, wegelose Wald. Nachts wurde es wieder sehr kalt. Ich betrachtete die Seitentäler der Berge und versuchte so, mithilfe der recht genauen 1:50’000 – Karte meine Position zu bestimmen. Ich schätzte die Distanz bis zum Ende des Tales auf einen weiteren Tagesmarsch. Nun kamen mir die Biber ein erstes Mal in die Quere. Auf Feuerland sind sie überall, wo es Flüsse und Seen gibt, und wo sie einen Fluss aufstauen, da muss ein Wanderer oft auf die höhergelegenen Stellen ausweichen. Für mich bedeutete das immer anstrengende und zeitraubende Umwege, und so entwickelte ich bald eine ziemliche Abneigung gegen die Nager. Der Boden war in dieser Gegend sehr nass – ich hatte eh seit zwei Tagen nasse Füsse – doch wenigstens Baumlos, so dass ich gut vorankam und zu meiner Überraschung bereits am frühen Nachmittag das Ende des Flusstales erblickte. Einen weiteren Tagesmarsch weiter nördlich kam der Rio Pipo aus den Bergen, und dort lag auch der Pass, über den ich musste. Also folgte ich dem Fluss weiter nordwärts. Überall lagen riesige, moosbewachsene Felsbrocken herum, die zusammen mit dem Fluss an einen japanischen Garten erinnerten. Gegen Abend erreichte ich die Stelle, wo der Rio Pipo westwärts in…
Es hatte fast bis zu meinem Zelt hinunter geschneit, und die Wolken hingen tief über den Hängen. Ich füllte mir noch heissen Tee in die Thermoskanne, dann begann ich, mich den verschneiten Pass hinaufzuarbeiten. Ich brauchte fast zwei Stunden, bis ich oben war; der Schnee war knietief und überall versperrten mir kleine, dichtwachsende Büsche den Weg. Oben angekommen, warf ich einen Blick zurück auf das Tal, durch das ich gekommen war – doch auch dort unten hüllte der Nebel alles ein. Nun musste ich etliche Kilometer auf einer weiten, verschneiten Ebene zurücklegen, an deren Seiten die Berge steil aufragten. Dann machte die Ebene eine Wendung von Osten nach Norden, und nach einigen weiteren Kilometern sah ich den Lago Alto vor mir. Völlog karg und trostlos lag er zwischen den Bergen. Doch ich fühlte mich gut und begann mit der Umrundung des Sees. Im Schneetreiben, den Rücken an die windabgewandte Seite eines kleinen Felsens gelehnt, machte ich Mittagspause und ass Kekse. Ich erreichte das Südufer des Sees und folgte dem Fluss, der hinunter ins Tal in Richtung des Lago Kami floss. Auf einmal stand ich an einer steil abfallenden Felswand. Rechts von mir schoss der Fluss in einem riesigen Wasserfall zu Tale. Ich befestigte meinen Rucksack an der Schlaufe meines Trekkingstockes und liess ihn so auf einen Absatz einige Meter weiter unten hinab, anschliessend kletterte ich hinterher. Ich schaffte es in einem Stück nach unten und campierte einige Kilometer weiter Flussabwärts. Keinen Meter zu früh, wie ich am nächsten Morgen feststellte. Denn der Fluss wand sich nun durch eine enge Schlucht, in der die Felsen links und rechts steil aufragten. Keine Chance, da durchzukommen; ich musste weiter nach oben und mir dort einen Weg suchen. Der Himmel war bewölkt und grau, in der Nacht zuvor war wieder Schnee gefallen. Das Herumklettern in der steilen Böschung erwies sich als schwierig, da ich in dem nassen Schnee dauernd ausrutschte. Jeder Busch, den ich streifte, regnete seine Nasse Last auf mich herab. Weiter oben…
Ich sah Hufspuren im matschigen Boden und folgte ihnen, und es war eine Art Trampelpfad der von den Estancias ausgebüchsten Wildpferde, und er führte mich an allen Felswänden und unpassierbaren Stellen vorbei sicher ins Tal, und als ich endlich unten ankam, fühlte ich mich ungheuer erleichtert. Ich war allerings praktisch hinabgerannt und meine Knie schmerzten noch Tage später. Wieder am Fluss, musste ich nur noch dessen Windungen nach Norden folgen; der Lago Kami konnte nicht mehr weit sein! Doch am Flussufer war es wieder oft zu steil zum Vorwärtskommen, und ich musste hoch und über die bewaldeten Bergflanken. Dann, endlich, nach 4 Tagen völliger Einsamkeit und allen nur möglichen Wetterbedingungen, sah ich ihn endlich vor mir: den Lago Kami, so genannt von den Selk’nam, und „wechselbarer See“ bedeutend. Ich sah das Ufer: es war keine Stunde mehr entfernt, und flach und sogar mit Strand! Ich konnte es kaum erwarten, unten anzukommen. Auf einmal rissen auch die grauen Wolken auf und die Sonne kam durch. Nun ging alles ganz leicht. Am Bergfusse angekommen, aber immer noch im Wald, vernahm ich ein Rauschen ung ging ihm nach. Ein weiterer Wasserfall, der letzte, bevor der Fluss in den See mündete. Ich zog mich nackig aus und stellte mich unter das hinabfallende Wasser. Es war so kalt, dass es mir den Atem nahm, doch ich fühlte mich anschliessend wie neu geboren. Ich nahm meine Sachen und watete etwas weiter unten durch den Fluss, ging durch ein kleines Wäldchen und kam hinaus an den Strand, und am anderen Ufer aufgereiht die verschneiten Gipfel der Sierra Injugoyen. Ich hatte es geschafft. Mir kam es vor, als hätte mich die Insel auf die Probe gestellt – und ich hatte bestanden. Nun hiess mich Feuerland willkommen. In Deutschland hatte ich im Internet einen Wanderbericht von zwei Leuten gelesen, die ebenfalls von Ushuaia aus den Lago Kami erreichen wollten. Nach zwei Tagen gaben sie auf; sie schrieben: „Schliesslich war es auch nur der Lago Kami. Wenn wir da zum…
doch da ich meine Vorräte falsch berechnet hatte und eigentlich gar nicht wusste, wie weit ich noch zu gehen hatte, entschied ich mich am nächsten Morgen für Weitermarschieren. Ich begann mich am Ufer durchzuschlagen und schaffte auch hier nicht mehr als einen Kilometer pro Stunde. Hin und wieder musste ich mich an steilen Klippen entlanghangeln, und zehn Meter unter mir glitzerte das glasklare Wasser. Doch es gab auch Stellen, die zum Pausieren sehr geeignet waren. Ich hatte bemerkt, dass die nach Norden gerichteten Uferabschnitte meist aus steil abfallenden Klippen bestanden, die nach Osten oder Westen gerichteten jedoch meist einen Strand hatten. Nachdem ich mich zwei Tage lang am Ufer des Sees durchgeschlagen hatte, erreichte ich die Bahia de los Reyes und traf unvermutet auf den ersten Menschen seit fast einer Woche. Senior Dominguez lebte dort ganz allein in einer kleinen Hütte, bei ihm nur seine beiden Hunde Jorgo und Pepo, zwei wahre Prachtexemplare. Als ich ihm von meinem Kohldampf berichtete, gab er mir als erstes eine Forelle, die er am Tag zuvor gefangen hatte. Etwas übereilt gab ich ihm als Gegengeschenk eine meiner drei Nudelpackungen – jetzt hatte also nur noch ein Kilo Nudeln und wusste nichtmal, wie weit es noch bis zur nächsten Strasse war. Bei meinem Gastgeber einzukaufen war auch nicht so einfach, schliesslich fuhr der nur einmal im Monat mit einem Boot, dass er von der Sägemühle am Lago Escondido per Funk herbeirief, zum Einkaufen, und hatte die Dinge somit nicht gerade im Überfluss. Aber egal, erstmal wurde die Forelle an weisse Sosse getan und gegessen. Dabei bot ich dem Hausherrn die Hälfte der Mahlzeit an; zunächst lehnte er dankend ab, doch als er die Forelle brutzeln und die Nudeln köcheln sah, überlegte er es sich nochmal anders. Ich beschloss daraufhin, bei der Hütte mein Zelt aufzuschlagen und einen Pausentag einzulegen, und Senior Dominguez hatte nichts dagegen – vielleicht freute er sich über ein bisschen Gesellschaft. Und ich hegte, um ehrlich zu sein, die leise aber bestimmte…
Später am Tag merkte ich dann, dass ich meine Frühstücks-Plastiktüte mit den Haferflocken, Rosinen und dem Milchpulver bei Dominguez in der Hütte vergessen hatte. Nun musste ich mir also von den ohnehin schon rationierten Nudeln noch etwas für das Frühstück aufsparen. Tatsächlich hatte ich dann an diesem und dem darauffolgenden Tag einen derartigen Kohldampf, dass ich mir die saftig fetten Löwenzahnblätter von den Wiesen direkt in den Mund stopfte. Ich kaute wie ein Pferd. Die Blätter schmeckten ein wenig bitter, doch meinem hungrigen Magen waren sie willkommen wie das Schaf dem Wolfe. Und so, wie Dominguez es gesagt hatte, erreichte ich erschöpft, aber mit heilen Knochen und lediglich etwas abgemagert von der unfreiwilligen Diät, nach insgesamt zwölf Tagen wieder einen festen Weg, und war am Abend an der Ruta 3. Doch gemein: in der kleinen Siedlung mit der erwähnten Sägemühle gab es nichts einzukaufen, und so musste ich mich im kalten Wind erstmal an die Strasse stellen und den Daumen raushalten. Doch niemand hielt an. Glücklicherweise gab es auf der Strecke \“Collectivos\“, kleine Busse, meist vom Eigentümer selbst gefahren, und mit einem davon kam ich für fünfzehn Pesos nach Tolhuin, im Rucksack nichtmal mehr einen Brühwürfel, den ich mir zu den letzten Nudeln hätte tun können. In Tolhuin quartierte ich mich in dem sehr schäbigen und offenbar einzigen Hotel am Platze ein, besorgte mir ein Pizza und einen Kakaotrunk und Kekse und ass alles auf. Zwei Stunden später kotzte ich es wieder raus – war mein Magen die viele Nahrung nicht mehr gewöhnt? Tags darauf siedelte ich um auf den Campingplatz \“Hain\“ direkt am See, und verbrachte dort drei erholsame Tage. Es war Wochenende und die Einheimischen kamen mit ihren Zelten und winzigen Wohnmobilen, in denen ganze Familien hausten, auf den Platz und assen den ganzen Tag Unmengen Fleisch. Ich war diesbezüglich noch nicht so ganz in Argentinien angekommen und begnügte mich meist mit Nudeln. Erst später ging ich in den Supermarkt oder in die Carniceria, um mir die Halbkilobrocken…
Ich entschloss mich, von Tolhuin aus auf direktem Wege durch die Wälder und Berge an die Seen Yehuin und Cheppelmuth zu wandern. Ich sah vom Campingplatz aus den Cerro Kashemi; links des Gipfels wölbte sich die Bergflanke in einer Art Pass, so dass ich nicht über den Bergrücken würde klettern müssen. So dachte ich zumindest. Der Pass lag genau in meiner Richtung, nämlich Nordwest – auf meiner Karte war sogar eine Strasse verzeichnet, die sich um den Berg herumzuwinden schien, um dann im Westen am Lago Cheppelmuth zu enden. Wenn ich diese Strasse erwischte, würde ich gut vorankommen; so war mein Plan also zurechtgelegt. Ich schulterte meinen Rucksack, drehte mich ein letztes mal zum Campingplatz „Hain“ um, wo ich es ganze drei Tage ausgehalten hatte, mehr als auf jedem europäischen Zeltplatz, und marschierte los in Richtung des anvisierten Passes. Ich liess das flache Seeufer hinter mir und schlug mich durch das Gebüsch und Unterholz den Berg hinauf. Durch die Bäume konnte ich kaum etwas erkennen und musste mich also, um zu meinem Pass zu gelangen, an die Richtung halten, die ich zuvor noch angepeilt hatte. War das dort der Pass? Ich konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen. Von der auf der Karte eingezeichneten Strasse war nichts zu sehen. Ich kam höher und höher, und als ich einmal einen Blick auf den Berg über mir erhaschen konnte, sah ich, dass ich östlich des Passes vorbeigeklettert und gerade im Begriff war, den Cerro Kashemi zu besteigen. Nun denn, wenn schon verlaufen, warum dann nicht gleich auf den Berg hinauf… Ich stieg weiter bergauf bis zur Baumgrenze. An den schattigen Südhängen lag teilweise noch Schnee. Ich sah das erste Guanaco – abgesehen von denen, die ich in der Pampa vom Bus aus gesehen hatte – das mich gewittert hatte und nun seine seltsamen Laute austiess, eine Art meckerndes Wiehern. Ich liess meinen Rucksack zurück und kletterte über die Geröllfelder dem Gipfel entgegen. Oben angekommen eröffnete sich mir ein prächtiges Panorama: ich sah im…
vor mir lag eine vielleicht zweihundert Meter breite und die ganze Länge des Tales ausfüllende baumlose Grasebene, durch die mitten hindurch ein kleiner Bach floss. Im Licht der untergehenden Sonne grasten ganze Gruppen von Guanacos nahe des Flusses. Scheinbar waren die Tiere völlig sorglos, denn obwohl ich nur noch wenige dutzend Schritte von ihnen entfernt war, bemerkten sie mich nicht. Weiter entfernt sah ich eine Herde Wildpferde, die aus den Wäldern herabgestiegen waren, um sich ebenfalls das Gras schmecken zu lassen. Ich blieb im Schutze der Bäume einige Augenblicke stehen, um die Szenerie zu betrachten. Dann trat ich aus dem Wald heraus, die Tiere bemerkten mich, und Sekunden später war ich alleine in dem Tal. Ich schlug mein Lager auf, holte Wasser vom Fluss, ass mein Abendessen und legte mich schlafen inmitten dieser unberührten Welt. Am folgenden Tage bekam meine Machete wieder ordentlich Holz zu schmecken, doch irgendwann war der Wald zu Ende und ich kam in die freie Pampa hinaus. Gegen Abend erreichte ich den Lago Cheppelmuth und konnte gerade noch mein Zelt aufstellen, bevor es zu regnen begann. Der Wind blies stark aus Nordwesten und der See war völlig aufgewühlt, und so konnte ich das Angeln erstmal vergessen. Später am nächsten Tag machte ich mich auf, um den Lago Yehuin zu erreichen. Auf dem Weg kam ich zu der Hütte von Senor Patricio, einer Art staatlich beauftragtem Fischereikontrolleur. Nach einigem Nachfragen brachte er ein verschimmeltes Brot zum Vorschein. Den Schinken, den er mir ebenfalls anbot, pappte ich mit etwas Mayonnaise auf das Brot und ass alles auf, hungrig wie ich war. Patrico erzählte mir von dem Fluss, der die beiden Seen verband – offenbar der einfachste Weg für mich, an den Lago Yehuin zu kommen, und tatsächlich erreichte ich den See schon nach kurzer Zeit und machte erstmal Pause und warf die Angel aus, doch nichts biss an. Die beiden Seen sind insofern unterschiedlich, als dass der Lago Cheppelmuth im Grunde genommen nichts anderes ist als ein rundes…
ich führte das auf meine Ausdünstung zurück, die nach einer Woche wahrscheinlich allerübelst war. Um ihn nicht allzu sehr zu quälen, eröffnete ich ihm nach dem ersten Teller, den ich ausgelöffelt hatte, dass ich nun weitermarschieren müsse, ein weiter Weg läge noch vor mir. Das schien ihn zu beleben; er trug mir sogar Stock und Handschuhe an die Pforte des Zauns hinterher. Von der Estancia Carmen erreichte ich in kurzer Zeit die neun Kilometer entfernte RC-F. Vor mir lag nun die Pampa und, etwa fünfundachzig Kilometer weiter nördlich an der Küste des Atlantiks, Rio Grande. Ich nahm an, dass das Gehen auf der Strasse recht eintönnig werden würde, und legte mir aus diesem Grund einen genauen Tagesplan zurecht: eine Stunde gehen, Viertelstunde Pause, nach drei Stunden eine längere Mittagspause etc. Ich hatte noch einen Rest Vitaminbonbons, die ich zu vorher festgelegten Zeitpunkten ass – so hatte ich immer etwas, worauf ich mich „freuen“ konnte. Das mag sich im Nachhinein vielleicht alles etwas Übertrieben anhören, doch achzig Kilometer können einem unendlich erscheinen, wenn man sich langweilt. Und das Resultat meiner Planung war eben, dass ich keine Sekunde lange Weile hatte und am ersten Tag gut fünfunddreissig Kilometer in sieben Stunden zurücklegte. Die letzte Nacht vor Rio Grande verbrachte ich in der verlassenen Hütte eines Einsiedlers am Strand des Atlantiks, und vor dem eigentlichen Abendessen, das wie immer aus Nudeln bestand, konnte ich mir frische Muscheln kochen, die ich zuvor am Strand gepflückt hatte. Nach Rio Grande kam ich auf schliesslich auf einer alten Küstenstrasse, die seit der Fertigstellung der Ruta 3 nicht mehr benutzt wurde. Ich genoss die paar letzten Stunden in freier Umgebung, dann war ich in Rio Grande und wieder unter Menschen und ihren mehr oder weniger sinnvollen Errungenschaften. Die Tage der Erholung verbrachte ich auf dem lokalen Campingplatz direkt am Flussufer. Wenn ich mich nicht gerade um meine Arbeit als Webmaster einer Seite in Deutschland kümmerte, ass ich. Vor allem Fleisch. Der Zeltplatz befand sich auf dem Gelände…