Doch ich hatte auch Glück.
Ich sah Hufspuren im matschigen Boden und folgte ihnen, und es war eine Art Trampelpfad der von den Estancias ausgebüchsten Wildpferde, und er führte mich an allen Felswänden und unpassierbaren Stellen vorbei sicher ins Tal, und als ich endlich unten ankam, fühlte ich mich ungheuer erleichtert. Ich war allerings praktisch hinabgerannt und meine Knie schmerzten noch Tage später.
Wieder am Fluss, musste ich nur noch dessen Windungen nach Norden folgen; der Lago Kami konnte nicht mehr weit sein!
Doch am Flussufer war es wieder oft zu steil zum Vorwärtskommen, und ich musste hoch und über die bewaldeten Bergflanken.
Dann, endlich, nach 4 Tagen völliger Einsamkeit und allen nur möglichen Wetterbedingungen, sah ich ihn endlich vor mir: den Lago Kami, so genannt von den Selk’nam, und „wechselbarer See“ bedeutend.
Ich sah das Ufer: es war keine Stunde mehr entfernt, und flach und sogar mit Strand! Ich konnte es kaum erwarten, unten anzukommen. Auf einmal rissen auch die grauen Wolken auf und die Sonne kam durch.
Nun ging alles ganz leicht. Am Bergfusse angekommen, aber immer noch im Wald, vernahm ich ein Rauschen ung ging ihm nach. Ein weiterer Wasserfall, der letzte, bevor der Fluss in den See mündete. Ich zog mich nackig aus und stellte mich unter das hinabfallende Wasser. Es war so kalt, dass es mir den Atem nahm, doch ich fühlte mich anschliessend wie neu geboren.
Ich nahm meine Sachen und watete etwas weiter unten durch den Fluss, ging durch ein kleines Wäldchen und kam hinaus an den Strand, und am anderen Ufer aufgereiht die verschneiten Gipfel der Sierra Injugoyen.
Ich hatte es geschafft. Mir kam es vor, als hätte mich die Insel auf die Probe gestellt – und ich hatte bestanden. Nun hiess mich Feuerland willkommen.
In Deutschland hatte ich im Internet einen Wanderbericht von zwei Leuten gelesen, die ebenfalls von Ushuaia aus den Lago Kami erreichen wollten. Nach zwei Tagen gaben sie auf; sie schrieben: „Schliesslich war es auch nur der Lago Kami. Wenn wir da zum Beispiel an die kobaltblauen Seen im Norden dachten…“
Wie ich jetzt am völlig einsamen Westende des Sees am Ufer lag, konnte ich diese Einschätzung nicht nachvollziehen. Der Westen des Sees gehört zum Besten, was ich auf Feuerland erlebt habe.
Ich wäre gerne einen ganzen Tag an jenem Strand geblieben, zumal sich auch lustige Sachen ereigneten; nachdem ich zum Beispiel alle meine Sachen zum Trocknen in der Sonne ausgebreitet hatte, beschäftigte ich mich mit dem Versuch, ein Angelgerät zusammenzubauen. Als ich beiläufig zu meinen Sachen hinüberblickte, traf mich fast der Schlag: ein Wind hatte sie erfasst und über den ganzen Strand verteilt, doch das unglaublichste war mein Schlafsack – der trieb auf dem See! Und der Wind blies ihn immer weiter vom Ufer hinweg. Ich warf alles hin und rannte ins Wasser. Wunderbarerweise schwamm der geöffnete Schlafsack mit der Unterseite nach unten auf dem Wasser, ganz so, als hätte ihn dort jemand sorgsam ausgebreitet. Doch nur das Aussenmaterial war nass geworden, und nicht die Daunen im Innern.