Später am Tag merkte ich dann, dass ich meine Frühstücks-Plastiktüte mit den Haferflocken, Rosinen und dem Milchpulver bei Dominguez in der Hütte vergessen hatte. Nun musste ich mir also von den ohnehin schon rationierten Nudeln noch etwas für das Frühstück aufsparen. Tatsächlich hatte ich dann an diesem und dem darauffolgenden Tag einen derartigen Kohldampf, dass ich mir die saftig fetten Löwenzahnblätter von den Wiesen direkt in den Mund stopfte. Ich kaute wie ein Pferd. Die Blätter schmeckten ein wenig bitter, doch meinem hungrigen Magen waren sie willkommen wie das Schaf dem Wolfe.
Und so, wie Dominguez es gesagt hatte, erreichte ich erschöpft, aber mit heilen Knochen und lediglich etwas abgemagert von der unfreiwilligen Diät, nach insgesamt zwölf Tagen wieder einen festen Weg, und war am Abend an der Ruta 3.
Doch gemein: in der kleinen Siedlung mit der erwähnten Sägemühle gab es nichts einzukaufen, und so musste ich mich im kalten Wind erstmal an die Strasse stellen und den Daumen raushalten.
Doch niemand hielt an. Glücklicherweise gab es auf der Strecke \“Collectivos\“, kleine Busse, meist vom Eigentümer selbst gefahren, und mit einem davon kam ich für fünfzehn Pesos nach Tolhuin, im Rucksack nichtmal mehr einen Brühwürfel, den ich mir zu den letzten Nudeln hätte tun können.
In Tolhuin quartierte ich mich in dem sehr schäbigen und offenbar einzigen Hotel am Platze ein, besorgte mir ein Pizza und einen Kakaotrunk und Kekse und ass alles auf. Zwei Stunden später kotzte ich es wieder raus – war mein Magen die viele Nahrung nicht mehr gewöhnt?
Tags darauf siedelte ich um auf den Campingplatz \“Hain\“ direkt am See, und verbrachte dort drei erholsame Tage.
Es war Wochenende und die Einheimischen kamen mit ihren Zelten und winzigen Wohnmobilen, in denen ganze Familien hausten, auf den Platz und assen den ganzen Tag Unmengen Fleisch.
Ich war diesbezüglich noch nicht so ganz in Argentinien angekommen und begnügte mich meist mit Nudeln. Erst später ging ich in den Supermarkt oder in die Carniceria, um mir die Halbkilobrocken zu besorgen.
Zwei Mädchen aus Ushuaia kamen mit ihrem Auto auf den Platz und gingen an den Strand, und bevor ich mir auch nur einen ersten Schritt überlegt hatte, kamen sie auch schon zu mir her. Wir verbrachten den Abend an einem Lagerfeuer am Strand. Am nächsten Morgen mussten sie zurück zur Arbeit, zurück nach Ushuaia.
Ich blieb noch den folgenden Montag auf dem nun wieder leeren Campinglatz, dann brach auch ich auf – Richtung Nordwesten, über die Berge.
Ich war mir nicht so ganz klar über meine weitere Route gewesen. Entlang der öden Ruta 3 wollte ich natürlich nicht marschieren, und so blieb eigentlich nur noch der Weg durch die Berge.
In Deutschland hatte ich ursprünglich vorgehabt, am Nordufer des Lago Kami entlangzugehen, nach Chile rüber zu wandern, die komplett menschenleere Berggegend südlich des Lago Blanco zu durchqueren und so an die Westküste Feuerlands zu gelangen. Doch jetzt, nachdem ich wusste, wie schwierig es war, in dieser unberührten Natur vernünftig vorwärtszukommen, konnte ich über solche Absichten nur noch lachen; ich hätte Vorräte für mindestens einen Monat mitschleppen müssen, was ganz einfach nicht möglich war.