Als ich den Waldrand erreichte, bot sich mir ein seltener Anblick:
vor mir lag eine vielleicht zweihundert Meter breite und die ganze Länge des Tales ausfüllende baumlose Grasebene, durch die mitten hindurch ein kleiner Bach floss. Im Licht der untergehenden Sonne grasten ganze Gruppen von Guanacos nahe des Flusses. Scheinbar waren die Tiere völlig sorglos, denn obwohl ich nur noch wenige dutzend Schritte von ihnen entfernt war, bemerkten sie mich nicht. Weiter entfernt sah ich eine Herde Wildpferde, die aus den Wäldern herabgestiegen waren, um sich ebenfalls das Gras schmecken zu lassen.
Ich blieb im Schutze der Bäume einige Augenblicke stehen, um die Szenerie zu betrachten. Dann trat ich aus dem Wald heraus, die Tiere bemerkten mich, und Sekunden später war ich alleine in dem Tal.
Ich schlug mein Lager auf, holte Wasser vom Fluss, ass mein Abendessen und legte mich schlafen inmitten dieser unberührten Welt.
Am folgenden Tage bekam meine Machete wieder ordentlich Holz zu schmecken, doch irgendwann war der Wald zu Ende und ich kam in die freie Pampa hinaus.
Gegen Abend erreichte ich den Lago Cheppelmuth und konnte gerade noch mein Zelt aufstellen, bevor es zu regnen begann. Der Wind blies stark aus Nordwesten und der See war völlig aufgewühlt, und so konnte ich das Angeln erstmal vergessen. Später am nächsten Tag machte ich mich auf, um den Lago Yehuin zu erreichen. Auf dem Weg kam ich zu der Hütte von Senor Patricio, einer Art staatlich beauftragtem Fischereikontrolleur. Nach einigem Nachfragen brachte er ein verschimmeltes Brot zum Vorschein. Den Schinken, den er mir ebenfalls anbot, pappte ich mit etwas Mayonnaise auf das Brot und ass alles auf, hungrig wie ich war. Patrico erzählte mir von dem Fluss, der die beiden Seen verband – offenbar der einfachste Weg für mich, an den Lago Yehuin zu kommen, und tatsächlich erreichte ich den See schon nach kurzer Zeit und machte erstmal Pause und warf die Angel aus, doch nichts biss an.
Die beiden Seen sind insofern unterschiedlich, als dass der Lago Cheppelmuth im Grunde genommen nichts anderes ist als ein rundes Loch mit Wasser drin; der Lago Yehuin hingegen ist ein hinterlistiger Hund – da ich keine genaue Karte der Region hatte, führte er mich mit seiner verwinkelten und buchtenreichen Westküste des öfteren an der Nase herum.
Das Wetter spielte verrückt, so dass ich an einem Abend in strömendem Regen mein Feuer machen musste, glücklicherweise bekam ich langsam Übung darin. Später traf ich mitten im Wald auf die Hütte eines Holzfällers, der mich grosszügig zum Essen einlud. Irgendwie schaffte ich es immer, zur besten Essenszeit bei den Leuten aufzukreuzen. Guerrero, mein Gastgeber, schien sich über mein Interesse am Wald und seiner Arbeit zu freuen; ich lernte von ihm, dass die kleinen gelben Golfbälle, die ich schon seit Tagen überall im Wald herumliegen sah, das „Pan del Indio“ war, ein Parasit, der an den Bäumen seltsame Schwellungen hervorruft, jedoch essbar ist. Als ich später dieses fremdartige Gewächs versuchte, glaubte ich sogar, einen leichten Hefegeschmack herauszuschmecken.
Der Kumpel von Guerrero, dem Holzfäller, verkaufte mir ein ordentliches Stück Schafsfleisch – bloss als es ans Bezahlen ging, wollte er kein Geld annehmen. Er war alt und lachte nur, als er hörte, dass ich von Tolhuin zu Fuss über die Berge gekommen war.
Abends schnitt ich das Fleisch sauber in vier gleichgrosse Steaks (es müssen wohl über vierhundert Gramm gewesen sein) und briet sie mir auf zwei Steinen im Feuer, dazu ein Topf voll Polenta. Ich war so vertieft in die Zubereitung und den Genuss des Fleisches, dass jemand neben mir hätte ein Haus bauen können, ich hätte es nicht bemerkt.
Beim Weitermarsch nach Norden entschloss ich mich später spontan, das Ufer des Sees zu verlassen und einem Weg zu folgen, den ich mitten im Wald entdeckt hatte und der meiner Meinung nach nur zur Estancia Carmen führen konnte. Und tatsächlich erreichte ich das Gehöft nach ein paar Stunden Fussmarsch. Ich steuerte auf die einzige Hütte zu, aus deren Schornstein Rauch aufstieg – praktischerweise war es das Vorratslager und die Küche, und der Alte, der mich empfing, war der Koch. Ohne weitere Umstände wurde ich in die Hütte eingeladen und gebeten, am Tisch Platz zu nehmen. Ein Teller voller Suppe mit grossen Fleischbrocken wurde vor mich hingestellt, dazu Brot und Tee, und ich brauchte nur noch alles aufzuessen.