Nun guckte ich mir auf der Karte eine neue Route aus.
Ich entschloss mich, von Tolhuin aus auf direktem Wege durch die Wälder und Berge an die Seen Yehuin und Cheppelmuth zu wandern.
Ich sah vom Campingplatz aus den Cerro Kashemi; links des Gipfels wölbte sich die Bergflanke in einer Art Pass, so dass ich nicht über den Bergrücken würde klettern müssen. So dachte ich zumindest. Der Pass lag genau in meiner Richtung, nämlich Nordwest – auf meiner Karte war sogar eine Strasse verzeichnet, die sich um den Berg herumzuwinden schien, um dann im Westen am Lago Cheppelmuth zu enden. Wenn ich diese Strasse erwischte, würde ich gut vorankommen; so war mein Plan also zurechtgelegt.
Ich schulterte meinen Rucksack, drehte mich ein letztes mal zum Campingplatz „Hain“ um, wo ich es ganze drei Tage ausgehalten hatte, mehr als auf jedem europäischen Zeltplatz, und marschierte los in Richtung des anvisierten Passes.
Ich liess das flache Seeufer hinter mir und schlug mich durch das Gebüsch und Unterholz den Berg hinauf. Durch die Bäume konnte ich kaum etwas erkennen und musste mich also, um zu meinem Pass zu gelangen, an die Richtung halten, die ich zuvor noch angepeilt hatte.
War das dort der Pass? Ich konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen. Von der auf der Karte eingezeichneten Strasse war nichts zu sehen. Ich kam höher und höher, und als ich einmal einen Blick auf den Berg über mir erhaschen konnte, sah ich, dass ich östlich des Passes vorbeigeklettert und gerade im Begriff war, den Cerro Kashemi zu besteigen. Nun denn, wenn schon verlaufen, warum dann nicht gleich auf den Berg hinauf…
Ich stieg weiter bergauf bis zur Baumgrenze. An den schattigen Südhängen lag teilweise noch Schnee. Ich sah das erste Guanaco – abgesehen von denen, die ich in der Pampa vom Bus aus gesehen hatte – das mich gewittert hatte und nun seine seltsamen Laute austiess, eine Art meckerndes Wiehern. Ich liess meinen Rucksack zurück und kletterte über die Geröllfelder dem Gipfel entgegen. Oben angekommen eröffnete sich mir ein prächtiges Panorama: ich sah im Osten den Atlantik, südöstlich den Lago Kami und an dessen Ufer winzigklein den Zeltplatz, von dem ich Stunden zuvor aufgebrochen war. Im Nordwesten machte ich die beiden Seen Cheppelmuth und Yehuin aus – wie polierte Spiegel lagen sie in der rotbraunen Turbiaebene. Die Hoffung auf die Strasse hatte ich fahren lassen, doch ich glaubte, den Lago Cheppelmuth in einem weiteren Tagesmarsch erreichen zu können.
Der Wind oben auf dem Gipfel pfiff mir ganz schön um die Ohren, trotzdem machte ich eine kurze Pause im Schutze eines grossen Steinhaufens, der offenbar von früheren Besuchern des Gipfels angelegt worden war.
Zurück bei meinem Rucksack betrachtete ich mir die Berghänge etwas genauer – sie waren voller Guanacopfade; diese Tiere fühlten sich hier oben ganz offensichtlich wohler als in den dichten Wäldern weiter unten. Da Guanacos auch in der Pampa anzutreffen sind, wo es weit und breit keine Berge gibt, reimte ich es für mich so zusammen, dass sie die freie Sicht bevorzugen – später sah ich allerdings auch Guanacos, die sich im Wald aufhielten, aber sofort bergauf flüchteten, wenn sie mich sahen.
Auf den Pfaden liess sich ganz angenehm wandern, und ich war schon bald an der Nordflanke des Berges angelangt. Es war schon zu spät, um sich noch weiter nach Norden durch den Wald zu schlagen, und so spähte ich umher, auf der Suche nach einem geeigneten Lagerplatz. Unten sah ich ein unbewaldetes Flusstal; das sah gut aus und ich stieg hinab. Doch verdammt, nach 2 Stunden erst kam ich dort an.