Am nächsten Tag kamen die Wissenschaftler an, die in der Gegend geologische Arbeiten durchführten. Mariano fungierte dabei als ihr Führer, da er ihnen mit seiner Kenntnis der Begebenheiten in den Bergen ringsum wertvolle Tipps geben konnte.
Ich machte einen Tag Pause und hatte das Gelände meist für mich alleine, da die anderen mit dem Jeep in ein Nebental gefahren waren, um dort Gesteinsproben oder dergleichen zu nehmen. Die Geologie Patagoniens hatte mich selber schon eine ganze Weile interessiert, doch ich merkte, dass die Wissenschaftler nicht allzu keen waren auf die Anwesenheit eines Laien-Gringos, und so blieb ich bei der Hütte zurück und versuchte mir die Zeit zu vertreiben. Da waren ein paar Pferde, die die Parkwächter auf ihren Ausritten benutzten. Ich war natürlich erpicht darauf, meine in 28 de Noviembre gesammelten Erfahrungen zu vertiefen, und Mariano hatte sich einverstanden erklärt, mir ein Pferd „auszuleihen“, um die Grenzen des Parkes ein wenig zu erkunden. Als wir uns daran machten, eines der Pferde einzufangen, schien ihn diese Entscheidung dann doch etwas zu beunruhigen. „Diese Pferde sind nicht zum Reiten lernen gedacht,“ erklärte er mir, „sie sind manso, aber nicht manso-manso.“ Manso, das bedeutete soviel wie zahm oder gutmütig. Na prima, nachdem ich in 28 de Noviembre zuletzt auf einer Kreuzung aus Criollo und Pony hatte reiten müssen, sollte nun also ein richtiges Pferd her, mit Kraft und Nervosität und allem.
Und tatsächlich hätte mich Juan Carlos nie auf ein solches Pferd steigen lassen, wie es nun Mariano von der Weide führte: ein schöner Brauner, vermutlich ein Criollo, und recht jung, so wie er sich aufführte. Denn jedesmal, wenn wir, vor allem ich, eine etwas zu hastige Handbewegung machten beim Satteln oder Anlegen des Zaumzeugs, zuckte das Pferd zusammen und wollte sich schier auf die Hinterbeine stellen, so dass ihm Mariano am Ende eine Fussfessel aus Leder um die Vorderläufe verpasste. Hier war Temperament am Start, und ich hatte wieder jenes etwas mulmige Gefühl beim Anblick all dieser Kraft, vor allem auch, weil dies hier keine Reitschule mehr und ich für mich selbst verantwortlich war.
Mariano hörte nicht auf, mich zu ermahnen über die Unruhe und das Feuer des Pferdes, doch kaum sass ich im Sattel, war die Anspannung verschwunden und ich packte die Zügel, so wie ich es gelernt hatte. Zunächst sollte ich nur eine halbe Stunde die Strasse hinauf und hinab reiten, und nur unweit der Hütte, so dass Mariano ein Auge auf das Geschehen haben konnte. Doch offenbar gefiel ihm, wie ich im Sattel sass und das Pferd führte, und so entspannte er ebenfalls ein wenig. Und wie ich von dem kurzen Ausritt, auf dem mich die Hunde begleitet hatten, wieder in einem Stück zurückkehrte, da gab er mir grünes Licht: „Reite, wohin du willst“. Einem europäischen Reitlehrer hätten sich vermutlich die Nackenhaare gesträubt.