Die Staubstrasse führte zunächst am Rio Grande entlang, bevor sie die Ruta 3 erreichte.
In einem kleinen Bullenhäuschen wurde mir Maté mit Zucker von den Carabiñeros angeboten. Dann nahm ich die RC-F nach Radman, vorbei an der ehemals riesigen Estancia José Menendez. Die Leute erzählen, dass es vor allem dieser war, der die Menschenjagd auf die schafeklauenden Selk’nam, auch Ona genannt, eröffnete. Bezahlt wurde das Kopfgeld für die Ohren der Indianer.
Die Strasse war kaum befahren und schlängelte sich ruhig durch die sonnige Pampa. Am Strassenrand blühte der gelbe Löwenzahn – Frühling auf Feuerland. Ich spulte meine Kilometer ab, machte regelmässig Pausen. Bei der Estancia Cauchicol fragte ich nach Wasser. Zwei kleine Jungs gaben mir die vollen Flaschen zurück, ich verabschiedete mich mit Händedruck von den beiden. Hinter dem nächsten Hügel machte ich ein Päuschen, da kamen die zwei wieder an – sie hatten mich über die Hügelkuppe beobachtet. Sie setzten sich neben mich ins Gras am Strassenrand, und wir unterhielten uns über das Leben auf der Estancia und auch über Pferde. German, der zwölfjährige ältere der beiden, erklärte mir, dass es weiter im Norden Packpferde gäbe, doch auch die hiesigen Reitpferde sich zum Lastentragen eignen würden. Sein kleiner Bruder Juan war acht.
Ich schlug mein Lager an einem Flüsschen zwischen den Hügeln auf. Abends wurde es wie immer sehr frisch. Am nächsten Tag wurde die Gegend merklich trockener. Im Süden konnte ich die ganzen Berge der Sierra Injugoyen sehen, dazwischen weites trockenes Weideland. Und unglaublich: ich erkannte in rund zwanzig Kilometern Entfernung, Richtung West-Südwest, meine Strasse, die an einem Hügel emporverlief und dahinter verschwand.
Ich versuchte zeitweise, parallel zur Strasse in der Pampa zu wandern, doch ich merkte, dass ich da meine Gedanken nicht so gut schweifen lassen konnte, da ich dauernd auf meine Schritte achten musste, um nicht über einen Grasbüschel zu stolpern. Dadurch konnte ich auch die Landschaft kaum betrachten – also zurück auf die Strasse.
Gegen Abend hatte ich dann die Strecke bis zu dem besagten Hügel zurückgelegt. Ich blickte zurück und sah nichts als eine sonnenverbrannte Landschaft, in der hier und da die Herden grasten.
Auf einmal hielt ein kleiner Lastwagen neben mir an, vollgepackt mit Landarbeitern. Sie wollten mich mitnehmen zur Estancia Despedida, doch dickköpfig lehnte ich wie immer freundlich dankend ab. Hinter der nächsten Wegbiegung sah ich das Gehöft dann – schön gelegen, mit gelben Sonnenblumenfeldern rings herum. Kein Prohibido Pasado – Schild wie bei anderen Estancias. Ich ging den Weg hoch zu den Wohnhäusern, wo man mich offenbar schon erwartete. Gaston mit dem gebrochenen Arm, Sandro „Der Löwe“ sowie dessen schielende neunzehnjährige Frau Nancy. Zunächst fargte ich mal nach Wasser. Danach das Thema behutsam aufs Essen gebracht. Doch es schien auch hier nichts zu essen zu geben, also holte ich, ohne weitere Absicht, meine Kekse aus dem Rucksack und begann zu futtern. Das schien ihnen gegen die Ehre zu gehen – ich wurde in die Hütte von Sandro eingeladen, Gaston verschwand um die Ecke.
Die junge Frau setzte mir Kaffe und Butterbrot vor, über das ich mich dankbar hermachte. Nebenbei gewann ich das Herz des jungen Sohnes des Hauses Renzo, zwei Jahre jung, als ich ihm meinen Kompass zum spielen gab. Gaston tauchte auf mit Brot und Fleisch – für mich. Nach einigem scherzhaften Hin und Her wurde ich eingeladen, auf der Estancia zu übernachten. Es war bereits fünf Uhr abends, und ich liess die eine Stunde, die ich eigentlich noch hatte marschieren wollen, sausen und nahm die Einladung an. Also gingen wir rüber in die Hütte, wo die familienlosen Arbeiter ihre Quartiere hatten. Der Hauptraum bestand aus einem Ofen, zwei Stühlen und einem alten Sofa, ringsherum waren die Zimmer und ein Bad. Als ich hereinkam, sass dort Don Sanchez im Stuhl, der fünfunddreissig Jahre auf der Estancia gearbeitet hatte. Die anderen erzählten mir später, dass Sanchez noch jemanden gekannt hatte, der bei der Jagd auf die Indianer mitbeteiligt gewesen war.