Ich benötigte meinen Kompass und meine topographischen Karten mehr denn je, um tagsüber meinen Weg durch die Hochebene zu finden. Niedrige Wolken zogen dicht über meinem Kopf dahin, hin und wieder die Sicht auf steinige Hügel und karge Felsen, soweit das Auge reichte. Keine einzige noch so kleine Pflanze, der Boden war von Rinnsalen durchzogen. Es war wie in einer anderen Welt mit eigenen Gesetzen. Ich lernte, wie wichtig es ist, einem eingeschlagenen Kurs zu folgen. Ich umging Hindernisse, anstatt genau entlang der Kompassnadel zu marschieren. Stunde um Stunde kam ich dadurch mehr vom Kurs ab. Auf einmal stand ich unmittelbar vor einem steilen Abhang, vor mir nichts als windzerzauste und karge Steinwüste. Unten angekommen, machte ich eine kleine Rast und überlegte. Ich hätte längst die Ausläufer der Meseta erreichen müssen. Beim Nachdenken über meine Marschrichtung und beim Vergleichen mit der Karte fiel mir auf, dass ich den ganzen Tag nach Nordosten anstatt nach Norden gegangen war. Hügel um Hügel hatte ich bequem umgangen, bis die kleinen Fehler und Bequemlichkeiten zu einem einzigen großen Irrtum geworden waren. Es war später Nachmittag und ich musste dringend einen Ort für die Nacht finden. Ich stand auf sumpfigem Boden inmitten einer weiten Ebene ohne Schutz vor dem Wind, schwarze Wolken kündigten stürmisches Wetter an. In einer halben Stunde würde es dunkel sein. In der Ferne konnte ich einen kegelförmigen Hügel sehen, den ich unter normalen Umständen nie als Lagerplatz in Betracht gezogen hätte. Dazu waren seine Hänge zu steil, und er bot keinen Schutz vor dem anrückenden Sturm. Aus Mangel an anderen Möglichkeiten entschloss ich mich, dort zu übernachten. Er bestand aus schwarzem Gestein, das von losem Geröll und Sand bedeckt war. Diese Schicht war jedoch nicht tief genug, um den Heringen einen festen Halt zu geben. Ich suchte mehrere schwere Steine zusammen und befestigte damit mein Zelt, so gut es ging. Die waagrechte Plattform, die ich in den Hang getrampelt hatte, war gerade groß genug. Sie lag auf der Seite, die dem Wind am meisten abgewandt war, doch durch die runde Form des Hügels half das kaum etwas. Die ersten Nachstunden verliefen dennoch ohne Schwierigkeiten. Als der Wind aber zunehmend stärker wurde, war an Schlafen nicht mehr zu denken. Ich hörte die Sturmböen mit einem Getöse über den Hügel herankommen, bevor sie wie eine Faust mein Zelt trafen. Ich hielt das Aluminiumgestänge mit der Hand fest, aus Angst, es könnte zerbrechen. Bald merkte ich, dass das Außenzelt nicht mehr richtig fest gespannt war, sondern lose im Wind flatterte. Ich musste hinaus und nachschauen. Die schweren Steine waren von der Gewalt des Sturmes verschoben worden, der pausenlos an den Leinen riss. Erst nachdem ich sie mit noch größeren Felsbrocken zusätzlich beschwert hatte, hielt das Zelt. Die Windböen wurden durch die Form des Hügels stark verwirbelt und schüttelten mein Zelt mal von links, dann von rechts durch, worauf der Reißverschluss des Einganges begann, sich von alleine zu öffnen. Bevor ich mich versah, hatte der Wind meine leere Trinkflasche gepackt, sie verschwand draußen in der Dunkelheit. Erst gegen morgen ließ der Sturm nach, so dass ich noch etwas Schlaf fand. Die Trinkflasche entdeckte ich beim Aufbruch einige Meter weiter am Fuße des Hügels. Es war einer der seltsamsten Orte, an denen ich je übernachtet hatte. Manchmal denke ich noch an den schwarzen Kegel inmitten der sich verdüsternden Einöde, ein Bild wie aus einem apokalyptischen Schauermärchen.