Nun war ich also in der Touristenhochburg Puerto Natales angelangt, wo sich die Menschen ihre langgehegten Träume in Erfüllung gehen lassen; und offenbar träumen alle dasselbe: den Torres del Paine Nationalpark besuchen!
Ich hatte das Wandern hingegen erstmal ein wenig satt und suchte nach Abwechslung. Auf meinen bisherigen Touren hatte ich eine Schwäche für sinnlose oder zumindest ungeeignete Fortbewegungsmittel entwickelt, und so wollte es der Zufall, dass ein Viejo wenige Meter neben meiner Herberge ein Fahrrad zu verkaufen hatte. Ein Mountainbike oder dergleichen wäre kaum besonders interessant gewesen, doch dieses Fahrrad hatte Charakter. Die Vorderradbremse machte zwar einen etwas abenteuerlichen Eindruck, doch bis nach Villa Tehuelches war die Gegend ja eher flach. Meine Idee war es nämlich, dorthin zurückfahren, um das Festival de la Esquilla mitzuerleben.
Nachdem ich den Preis des Fahrrades von zehn auf achttausend Pesos heruntergehandelt hatte, machte ich mich auf, um zunächst noch einen kurzen Abstecher ins Nachbarland Argentinien zu machen, dessen lockere Lebensart ich in den vergangenen Wochen etwas vermisst hatte. Überall wo ich hinkam hatte mein Fahrrad alle Sympathien auf seiner Seite, und so halfen mir die Grenzer, einen Lastwagen zu finden, der mich über die Schotterpiste an die Ruta 40 brachte. Doch die Ruta 40 war ebenfalls nicht mehr als eine holprige Staubpiste – nicht gut für mein Fahrrad. Per Anhalter kam ich dennoch bis 28 de Noviembre, einem kleinen Ort in den Bergen unweit des Wintersportortes Rio Turbio. Auf der Suche nach einem geeigneten Lagerplatz traf ich Juan Carlos, den Präsidenten des hiesigen Hippotherapie-Vereines, der es mir erlaubte, auf seiner Chacra zu zelten. Abends erzählte er mir von der Arbeit, die wohl vor allem darauf basiert, dass das Reiten sehr gesund und förderlich ist für die Motorik von körperlich sowie geistig Behinderten. Für seine erst kürzlich ins Leben gerufene Organisation benötigte er eine Webseite, doch den Preis dafür konnte er nicht bezahlen. So machte ich ihm einen Vorschlag: wenn er mir die Grundzüge des Reitens beibrächte, würde ich ihm die Webseite bauen. Wir kamen schnell überein – ein wahrhaft südamerikanischer Deal.
Bis zum Festival in Villa Tehuelche waren es nur noch wenige Tage, und ich radelte los, zurück nach Chile; diesmal allerdings über die asphaltierte Strasse von Rio Turbio, die mich allerdings auch in die Berge führen würde. Nach dem Festival wollte ich dann nach 28 de Noviembre zurückkehren.
In der sommerlichen Hitze quälte ich mich mit meinem Fahrrad den Berg hinauf zum Grenzübergang Villa Dorothea. Bergab bremste ich mit den Schuhen, da die Bremse mittlerweile völlig den Geist aufgegeben hatte. Vier Tage benötigte ich für die hundertvierzig Kilometer nach Villa Tehuelches.