Die Hochebene
Nach der Nacht am Polarkreis fuhr ich also weiter über die Hochebene des Semskastodi Naturreservats. Alles schien verändert: es gab keine Tankstellen oder Supermärkte, keine Häuser am Straßenrand. Rentierherden kreuzten meinen Weg oder rannten neben mir her, dass der Schnee nur so stob. Diese Tiere sind dermaßen gut getarnt, dass sie sich kaum gegen die aus dem Schnee herausragenden Felsen oder Baumgruppen abheben. Aber ein Fahrradfahrer schien ihnen sehr suspekt zu sein – vor Autos oder Lastwagen hatten sie offenbar jede Scheu verloren.
Hin und wieder sah ich Leute, die ihr Auto am Straßenrand geparkt hatten und sich scheinbar zur Jagd aufmachten – einer von ihnen erzählte mir, er jage, wenn ich ihn richtig verstanden habe, Wachteln. Außerdem sagte er mir, dass die Winter in Norwegen seiner Meinung nach immer milder würden. Wie sehr ich die Leute mit Skiern beneidete, die einfach querfeldein aufbrechen konnten, mitten hinein in diese großartige Landschaft! Ich war hingegen an die E6 gebunden, doch auch so bekam ich einen ganz guten Eindruck vom winterlichen Leben oberhalb der Baumgrenze. Diese rund dreißig Kilometer gehören für mich zu den schönsten auf der ganzen Tour.
Irgendwann ging es wieder hinab, durch Nadelwald und vorbei an gefrorenen Bächen, samischen Rentiergehegen und im Winter verlassenen Hotels. Ich schlug mein Lager an den Ufern des Saltdalsfjorden auf, es war windstill und klarer Himmel, alles sah nach einer ruhigen Nacht aus.