Mit dem Rad an den Polarkreis

Kapitel 5
Rückkehr in die Fremde

Und es war Gastfreundschaft, wie ich sie selten erlebt habe und wie man sie wohl nur bei Menschen erlebt, die selbst nicht allzu viel haben. In ihrer kleinen aber sauberen Bude, die normalerweise an Studenten vermietet wurde, bekam ich erst mal den besten Platz vor dem Fernseher zugewiesen – wohl so eine Art Statussymbol der Sessel, in den zu setzen sie mich einluden. Sie nahmen währenddessen auf einfachen Küchenstühlen Platz. Wir unterhielten uns auf Englisch über dies und das, die Taliban und was sie getan hatten, und dass der älteste von ihnen, ein untersetzter, sehr freundlicher Afghane so um die 50, einmal General unter Doktor Soundso gewesen war, bis die Regierung von eben diesen Taliban gestürzt worden war. Nun war er hier in Norwegen, als Flüchtling, als Niemand. Durch die Einfachheit und Offenheit, mit der sie diese Dinge erzählten, schenkte ich ihren Aussagen einigen Glauben. Die Tatsache, dass mir der Name Massoud ein Begriff war, schien meinen Respekt bei ihnen zu heben. Einer der fünf, ein Bursche namens Sha, hatte ein stark asiatisches Aussehen – seine Eltern waren einst aus China eingewandert. Ich fragte mich, wie viele Chinesen es in Afghanistan gebe, worauf sie meinten „Too many!“. Später erkundigte ich mich nach der Zahl der Afghanen, die in Hamburg leben, und ihre Antwort: „Too many!“. Mit Sha also, einem ziemlich sportlichen Typ, der aufgrund seines Alters (oder seiner Herkunft?) dauernd zum Geschirrspülen und Tischdecken abkommandiert wurde, verstand ich mich besonders gut, nachdem ich ihm von meiner Lieblingssportart, dem Boxen, erzählt hatte. Soweit ich das mitgekriegt habe, sind ziemlich viele Afghanen Boxsport-verrückt – eine weitere Sache, die ich sehr symphatisch finde.