14 Franks, 14 Sonnenbrillen: ‚Calamari Union‘
Geschrieben vor 8 Jahren Filmbesprechungen
Regisseur:
Aki Kaurismäki
Erscheinungsjahr:
1985
Hauptdarsteller:
Asmo Hurula, Kari Heiskanen, Kari Väänänen, Markku Toikka, Martti Syrjä, Mato Valtonen, Matti Pellonpää, Mikko Mattila, Pantse Syrjä, Pate Mustajärvi, Pertti Sveholm, Pirkka-Pekka Petelius, Puntti Valtonen, Sakari Kuosmanen, Sakke Järvenpää, Timo Eränkö
Genre:
Drama, Komödie
Laufzeit:
77 Min.
IMDB:
Trailer:

Diese Besprechung beschreibt Teile der Handlung!

14 Franks, 14 Sonnenbrillen: ‚Calamari Union‘

14 Finnen namens Frank (wobei niemand nachgezählt hat) entschließen sich, ihr einengendes Viertel zu verlassen und nach Eira aufzubrechen, jener sagenhaften Gegend am anderen Ende der Stadt. Dazu müssen sie allerdings durch das Zentrum von Helsinki, wo sie unsägliche Gefahren erwarten…

Dieser seltsame Plot gibt den Ton und das Tempo an für die kuriose Zusammenstellung von Szenen, aus denen Calamri Union besteht. Bereits das Manifesto, das einer der Franks ganz zu Beginn verliest, lässt uns erahnen, was auf uns zukommt. Die Eröffnungssequenz erinnerte mich an Reservoir Dogs; vielleicht hat der große Cineast aus den USA hier ein wenig abgeschaut. In den folgenden Szenen scheint noch etwas von einer herkömmlichen Handlung vorhanden zu sein: die Franks verschaffen sich Zugang zu einem U-Bahn-Depot, wobei ihnen ein leicht zurückgebliebener Mensch namens Pekka hinterherläuft, betäuben den Schaffner und fahren mit dem Zug ins Stadtzentrum. Von dort an, so wurde ihnen gesagt, werden sie sich in mehrere Gruppen aufteilen, um veschiedene Routen nach Eira einzuschlagen. Es gibt die Nordroute, die Südroute und eine mittendurch, jeder wird aber letzten Endes auf sich alleine gestellt sein. Als sie aus dem U-Bahn-Waggon steigen, fordert die Reise das erste Opfer: der Schaffner schießt einem der Franks in den Rücken und verschwindet. Die übrigen Franks beugen sich zu ihm hinab, als würden sie ein überfahrenes Kaninchen auf der Straße betrachten. Der angeschossene Frank nimmt einen Zug von der letzten Zigarette und verabschiedet sich ins Jenseits – und mit ihm vorläufig jede erkennbare Handlung.

 

Bildschirmfoto vom 2016-08-27 12:41:09

 

Von nun an werden die meisten Szenen scheinbar mit Absicht so begonnen, dass sie möglichst wenig Sinn ergeben. Einige der Franks sind nämlich plötzlich im Museum, ein anderer quartiert sich im Hotel ein, manche übernachten in einer Telefonzelle. Es wirkt, als sei das Drehbuch mit der Technik des automatischen Schreibens verfasst worden, wobei man mehr oder weniger das aufschreibt, was einem gerade in den Sinn kommt, und wenn  man sicht mehr weiter weiß, schreibt man einfach ein Wort, das mit dem letzten Buchstaben des letzten Satzes beginnt. Der Dialog steht den so entstehenden surrealen, oft komischen Situationen in nichts nach. Als Beispiel eine kurze Unterhaltung zwischen Frank und Frank: „Lass uns ein Taxi nehmen – Hast du Geld? – Nein – Ich auch nicht – Lass uns ein Taxi nehmen – Okay.“ Buñuel hätte anerkennend mit dem Kopf genickt, denn es ist eine Reinheit in dieser Art von unlogischer Folgerichtigkeit.

 

Bildschirmfoto vom 2016-08-27 12:38:54

 

Die visuellen Konstanten im weiteren Ablauf sind die Zigaretten, Bluesmusik und die dunklen Sonnenbrillen. Bevor das große Ableben beginnt, geben sie alle gemeinsam ein Rockkonzert, dann erleben wir, wie ein Frank nach dem anderen auf dem Weg ins verheissene Land scheitert. Einer läßt sich auf dubiose Geldgeschäfte ein, verrät so sein Ideal und erhängt sich. Ein anderer wird von einer Frau verführt, die ihm verspricht, ihn nach Eira zu bringen, wenn er seine Freunde zurücklässt. Sie fahren davon, allerdings in die falsche Richtung. Wieder ein anderer benimmt sich daneben und wird erschossen, usw. Schlussendlich bringt es einer von Ihnen auf den Punkt: „Es ist besser, sich eine Frau zu angeln, und nicht nach den Sternen zu greifen.“ Sie schaffen es nicht, ihr Ideal, ihren utopischen Traum durch die Fallgruben der Realität hindurchzuretten. Kaurismäki bringt hier auch eine tiefe Melancholie zum Ausdruck. Vielleicht macht das alles mehr Sinn, wenn man bedenkt, dass er wenige Jahre später selber nach Portugal auswanderte. Der Titel des Films scheint einen gewissen Bezug zu Südeuropa ebenfalls vorwegzunehmen.

Hin und wieder, z.B. durch die Verliebtheit in die schwarzen Sonnenbrillen oder beim Rockkonzert, scheint der Film stark in den Achtzigerjahren festzuhaften. Insgesamt ist er aber gut gealtert, weil der surreale Humor in den Zwanzigerjahren genauso gut funktionierte wie heute.

Das Ende des Films lässt vieles offen. Die zwei verbliebenen Franks müssen erkennen, dass Eira nur ein Traum war. Dennoch geben sie nicht auf; alles ist für sie besser als das, was hinter ihnen liegt.

 

Bildschirmfoto vom 2016-08-26 12:46:54

 

Aki Kaurismäki sagte in Interviews, dass dieser Film der einzige in seiner Karriere sei, den er in betrunkenem oder verkatertem Zustand gemacht hat. Es gibt aber noch andere Gründe, die uns neugierig machen können. Der Film ist ein Fundus an skurillen Einfällen und verrückten Situationen, in seinem Kern handelt er aber von der Suche nach etwas Besserem jenseits des bekannten Horizonts, vom Festhalten an seinem Ziel trotz aller Ablenkungen der Realität.

 

Bewertung:

Bewertung: 8

Michael

Michael mag Filme, Abenteuer und so weiter. Er schreibt im Blog seine Meinung zu alten und neuen Filmen. Er interessiert sich auch fürs Filmemachen und hat ein Projekt in Vorbereitung: Die Anbetung des Affen

1 Gedanke zu “14 Franks, 14 Sonnenbrillen: ‚Calamari Union‘”

    Muchas gracias. ?Como puedo iniciar sesion?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.