‚Bonjour Tristesse‘
Bonjour Tristesse hat einen schweren Stand bei mir, da ich oberflächliches Gerede zwischen Cocktailgläsern und extravaganter Abendgarderobe nicht ausstehen kann – und dieser Film ist voll davon. Verfehlt es der Film dann noch, eine überzeugende Geschichte zu erzählen oder eine packende Aussage zu machen, wird es schwierig.
Dabei beginnt alles unglaublich vielversprechend. Eine dunkle Juliette Gréco singt das Titellied in einem geschniegelten Pariser Restaurant, beobachtet von der leuchtend blonden Cecile (Jean Seberg), die mit ihrem Verehrer tanzt, der ihr ganz gleichgültig ist. Seberg’s Stimme aus dem Off erklärt uns die Gefühlslage von Cecile, die sich von ihrer Umwelt wie durch eine unsichtbare Mauer getrennt fühlt und sich fragt, ob sie jemals wieder so glücklich sein wird wie im letzten unbeschwerten Sommer an der Riviera. Bei so viel Kontrast, melancholischer Reflexion und subtiler Stilisierung ist es schwierig, nicht neugierig zu sein auf die weitere Handlung. Leider wurde ich vollkommen entäuscht – denn der Film liefert nichts, oder fast nichts.
Eine volle Stunde lang müssen wir uns die Gespräche der reichen Riviera-Urlauber anhören, die sich um eines drehen: nichts. Cecile’s Vater Raymond ist ein alternder Playboy, den sie gerade für seinen leichten, unbeschwerten Lebensstil liebt. Die ungewöhnliche Konstellation aus Vater, Liebhaberin und Tochter wird gestört durch die Ankunft von Anne, einer verflossenen Liebe. Sie ist eine erfolgreiche und disziplinierte Modeschöpferin, die unter den Anwesenden offenbar als einzige empfindet, dass das Leben noch aus etwas anderem besteht als Vergnügungen. Aus einem Grund glaubt sie, den leichtfertigen Raymond zu einem solideren Menschen umformen zu können. Cecile, die sich mit ihren 17 Jahren bereits an das leichte Leben gewöhnt hat, fühlt sich durch Anne’s strikte Art bedroht und beginnt eine Intrige.
Der Film ruht auf Seberg’s Schultern, aber die junge, verwöhnte Cecile ist einfach nicht komplex oder interessant genug, um unsere Aufmerksamkeit über die gesamte Länge zu fesseln. Nicht einmal die besondere Ausstrahlung der zwanzigjährigen Seberg oder ihr omnipräsenter Bikinihintern können dies ändern. Ihr charmanter, aber im Grunde zielloser Vater hat ebenfalls nicht genug zu bieten. Falls es hier, wie manche behaupten, um eine Kritik an der verschwenderischen Vergnügungssucht einer gelangweilten Oberschicht geht, dann schießt der Film über sein Ziel hinaus; denn man wünscht sich nichts sehnlicher, als aus dem Kreis dieser Nichts-sagenden und Nichts-tuenden Menschen zu entkommen, am besten zurück in jenes Pariser Tanzlokal zu Juliette Gréco.
Zwar führt der Film Ceciles Reflexion stellenweise fort, doch die Substanz reicht aus meiner Sicht nicht aus, um den Film über die Laufzeit zu retten. Der Handlungsbogen wird zu einem Ende gebracht, doch zwischen diesem Finale und dem Anfang existiert ein solches Vakuum an interessanten Ereignissen oder auch nur subtilen Andeutungen, dass meine Geduld bis zum Anschlag strapaziert wurde. Die Entscheidung, die triste Gegenwart der melancholischen Cecile in schwarzweißen Bildern zu zeigen, die Zeit der Riviera aber in Farbe, hätte eine weitere interessante Voraussetzung geliefert, die am Ende aber ohne große Wirkung bleibt. Wer sich für problematische Menschen unter der Sonne des Südens begeistert, ist mit Godard’s Die Verachtung oder Antonioni’s L’Avventura besser bedient.