Gewalt gegen Gewalt: ‚Tropa de Elite‘
„Wer hat ihn getötet?“ schreit Nacimiento und drückt das Gesicht des Studenten auf das blutverschmierte Hemd des Toten. „Einer von euch…“, sagt der verängstigte junge Mann. „Falsch! Du warst das!“.
Tropa der Elite folgt der zentralen Figur von Capitão Nacimiento, dem Kommandeur einer Elite-Polizeitruppe in Rio der Janeiro. Üblicherweise wird diese Einheit gerufen, wenn die normalen Polizeibeamten, deren Ausbildung und Besoldung schlecht und die bis zur Haarspitze in der Korruption feststecken, eine Situation nicht in den Griff bekommen. Die Brutalität, mit der BOPE, das Batalhão de Operações Policiais Especiais, dabei vorgeht, stellt selbst die Skrupellosigkeit der bewaffneten Drogendealer in den Schatten.
Nacimiento, dessen Frau ihr erstes Kind erwartet, leidet zunehmend unter Panikattacken, die sein Kommando gefährden und ihn unter Druck setzen, einen geeigneten Nachfolger zu finden. Mögliche Kandidaten für seinen Posten sind Matias und Neto, zwei junge, ambitionierte Offiziersanwärter mit sehr unterschiedlichen Charakteren. Nacimiento wird sich für einen der beiden entscheiden müssen, obwohl ihre Unerfahrenheit und mangelnde Selbstkontrolle eine große Gefahr darstellen. Ein anstehender Papstbesuch treibt die Anforderungen an die Polizeibeamten auf die Spitze.
Das Problem mit Tropa de Elite ist, dass man sich zu keinen Zeitpunkt sicher sein kann, ob Regisseur José Padilha die Handlungen seiner Protagonisten nur darstellt, kritisiert oder sogar als politische Aussage benützt. Dadurch erhält der Film einen seltsam doppelbödigen Charakter, der einem Angesichts der Brutalität und des schwierigen Themas von Korruption und Armut schwer im Magen liegen bleibt. Einerseits gibt der Filmemacher vor, die Heuchelei der jungen Mittelschicht aufdecken zu wollen, die zwar gegen Polizeigewalt in den Favelas demonstriert, aber gerade durch ihren Drogenkonsum den Konflikt aufrecht erhält. Andererseits wird das Vorgehen von BOPE, die teilweise wie ein Terrorkommando handeln, ohne größere Distanz dargestellt, so dass man im Grunde davon ausgehen muss, dass für Padilha Gewalt und außergerichtliche Exekutionen eine akzeptable Lösung gegen Korruption und Kriminalität in den Armenvierteln darstellen. Viele Brasilianer scheinen auch genau diese Botschaft in dem Film gesehen zu haben, obwohl es durch die Erzählung offensichtlich wird, dass Nacimiento und seine Männer nichts anderes tun, als der Hydra die Köpfe abzuschlagen.
Eine andere Möglichkeit wäre, dass Padilha, der zuvor Dokumentarfilme gedreht hat und der auch diesen Film zunächst als Dokumentation über die Elitetruppe BOPE konzipierte (was sich in den Szenen aus dem Trainingslager immer noch zeigt), selber nicht recht wusste, welche Position er genau einnehmen will. So schlingert er, manchmal kritisierend, manchmal dokumentierend, manchmal stilisierend durch das komplexe Spannungsfeld zwischen materieller Not und absurder Staatsmacht, und bedient sich gleichzeitig geschickt dieser Elemente zum Zwecke der Unterhaltung.
Um die Ambivalenz noch zu steigern, wird der Film durch den Soundtrack, die hohe Dynamik der Erzählung und die wackelige Handkamera wie ein Actionstreifen aufgebaut. Der Erfolg von Tropa de Elite ist also vielleicht der Spagat aus sozialer Kritik, actionreichen Szenen und rechtsextremem Populismus, der bei einer breiten Bevölkerungsschicht in Brasilien und anderswo gut ankommt. Tatsächlich ist es schwer vorstellbar, wie sich eine Gesellschaft, deren Staatsorgane dermaßen mit der organisierten Kriminalität verwoben sind, selber aus dem Morast ziehen kann. Wenn überhaupt, kann das nur mit langfristigen, tiefgreifenden Änderungen geschehen.
Tropa de Elite ist unterhaltsam, die Schauspieler sind bis in die Nebenrollen gut besetzt, die Drehorte sind authentisch. Ein komplexer und fragwürdiger Film zugleich.