‚The Neon Demon‘ – Abgrund der Schönheit
Schönheit ist das, wonach die Menschen suchen in diesem Film, die einzige wirklich gültige Währung der Modebranche von L.A. Jesse, naiv und unverbraucht und jung, taucht wie aus dem Nichts in der Stadt auf und bringt die Model-Agenturen, Starfotografen und Designer gehörig durcheinander. Sie hat etwas, das andere nicht haben. Ohne allzu große Ambitionen an den Tag zu legen, übertrumpft sie die arrivierten, chirurgisch korrigierten Models mit ihrer nymphenhaften Aura. Oder zumindest ist es das, was uns der Film nahelegt – denn ob Hauptdarstellerin Elle Fanning tatsächlich dieses überwältigende Charisma besitzt, liegt vielleicht im Auge des Betrachters.
Obwohl ihr die Welt zu Füßen liegt, merken wir schnell, dass dies nicht die Geschichte von einem Landei ist, das in der Großstadt zur Prinzessin wird. Der Film hat von Beginn an einen düsteren Unterton, die Gesichter sind kalt und distanziert, die Handlungen berechnend und manipulativ.
Visuell ähnelt The Neon Demon streckenweise einem Hochglanzmagazin. Manchmal verliert er sich in einer fast psychedelischen Bilderfolge, wobei die Wirkung meist entweder von der Musik von Cliff Martinez oder von konzentrierter Stille untermauert wird. Winding Refn’s Talent als erzählender Filmemacher kommt am besten zum Ausdruck, wenn die Handlung nur von den Blicken und Gesten seiner Hauptdarsteller und der reduzierten Komposition der Bilder lebt, beispielsweise beim Catwalk vor dem gelangweilten Designer oder dem in weißes Licht getauchten Set, wo Jesse auf den lauernden Fotografen (in einer starken Nebenrolle: Desmond Harrington) trifft. Hier scheint der Film auch vor allem als doppelbödiges Abbild der Modewelt zu funktionieren.
Diese Richtung ändert sich im letzten Drittel völlig, als wir auf einmal hinter die Masken von Jesse’s Bekanntschaften blicken, und sich damit eine Welt auftut, die ziemlich bizarr ist und den düsteren Vorahnungen noch einen oben drauf setzt. Das groteske, blutige Ende wirkt in seiner Aussage, falls es eine gibt, ein wenig prätentiös.
Noch ein Wort zum Thema Schönheit. Das Problem damit ist, dass offenbar immer jemand da sein muss, der uns sagt, was schön ist, The Neon Demon ist da nicht anders. So kann man auch erklären, warum das Wort überhaupt im Zusammenhang mit diesem Film verwendet wird – denn meiner Meinung nach kommt Schönheit kaum darin vor. Sicher, das meiste sieht sehr elegant, glatt, ästhetisch aus. Aber unter den Bildern existiert ein Gefühl von Kälte und Leere. Picasso sagte einmal, dass die Akropolis in Athen nicht schön sei, weil man Schönheit nicht auf eine Formel reduzieren könne.
Winding Refn hat seit seinem ersten Film Pusher einen weiten Weg zurückgelegt. Er hat sich in der Welt von Kopenhagens Drogenmilieu filmisch genauso sicher bewegt wie im Kunstlicht von L.A.’s Fotostudios und Clubs. Der Film ist unglaublich langsam, die Dialoge haben gedehnte Pausen, was mir sehr mutig erscheint in der heutigen Zeit. Vielleicht gibt es niemanden außer Winding Refn, der so langsam fließende, dräuende Filme macht, und dennoch ein größeres Publikum damit erreicht.
Muchas gracias. ?Como puedo iniciar sesion?