Neben der Strasse, etwas tiefer gelegen am Ufer, war die Estancia Querencia. Dort erkundigten wir uns über die Gegend und erfuhren, dass es für uns nicht möglich wäre, weiterzufahren. Irgendjemand hatte sämtliche Estancias weiter im Westen gekauft, und aus dem riesigen Besitz, der sich daraus ergab, sollte nun offenbar ein Naturreservat entstehen. Das war dann auch die Erklärung, warum auf meinen Karten nichts davon eingezeichnet war; da gab es nur eine öffentliche Strasse bis zum westlichsten Punkt des Ufers. Die beiden Frauen drehten um, um irgendwo anders zu picknicken, ich dachte jedoch nicht daran, wieder zur blöden Ruta 40 zu fahren und blieb zurück. Dem Gaucho, mit dem wir uns unterhalten hatten, schien das gar nicht zu gefallen. Er forderte mich auf, ebenfalls zurückzufahren, da es hier kein Weiterkommen für mich gäbe. Ich bot ihm eine Zigarette an, aber er wollte keine und wies mich stattdessen an, mit dem Besitzer oder Boss zu reden, der die ganze Zeit über vor seinem Haus gestanden und sich über sein Handy mit jemandem unterhalten hatte.
Ich stellte mich also hin und wartete auf das Ende des Gesprächs. Es wurde langsam Herbst, und die Pappeln mit ihren dunkelrot gefärbten Blättern gaben dem Gehöft eine Stimmung wie von Abschied. Dann war der Boss endlich fertig mit seinen Unterweisungen und wendete sich mir zu. Seine blauen zusammengekniffenen Augen blickten mich nicht allzu entspannt an. Blaue Augen, hier? Doch unwichtig nun, erstmal musste ich über mein Weiterkommen verhandeln. Ich grüsste auf Spanisch und unterbreitete mein Vorhaben, zu Fuss an den Upsala-Gletscher im Westen zu gelangen. Noch nie war mir auf einer Estancia die Erlaubnis zum Durchmarsch verwehrt worden; so erlebte ich es hier zum ersten Male. Denn der Verwalter – das war seine wirkliche Aufgabe – blieb hart. Niemand, der nicht zur Estancia oder dem Team der Wissenschaftler gehörte, die hier in der Gegend arbeiteten, durfte durch das Gatter. Ich bin nicht allzu diplomatisch veranlagt, und wenn jemand stur auf seinem „Nein“ beharrt, sehe ich meist kein Durchkommen für mich. Ausser mit der Faust reinzuschlagen, natürlich. „Woher kommst du?“, fragte mich Blauauge aufeinmal. „Aus Hamburg in Deutschland.“ „Und woher?“ fragte er mich weiter, diesmal auf Deutsch. Aha, daher pfiff der Wind. „Aus Hamburg“, wiederholte ich. „Nein, aus welchem Stadtteil?“. Da hatte ich hier also einen hamburgischen Argentinier getroffen, denn Peter, so sein Name, hatte in all den Jahren, die er bereits in Argentinien lebte, die Staatsbürgerschaft des Landes angenommen. Doch sein Deutsch war tadellos, und im Verlauf des Gesprächs, das sich nun ergab, schien mir, dass er immer noch starke Bande in das alte Heimatland haben musste; denn ausser seiner Familie sprach hier niemand irgendetwas ausser Spanisch.
Eine „verzweigte Familie“, wie ich von Peter erfuhr, hatte hier allen Besitz erworben und wollte ein Naturreservat einrichten; ein Naturreservat der gehobenen Kategorie offenbar, denn die Touristenmassen im Parque Nacional los Glaciares waren hier jedem ein Greuel.