Vor mir der Pass und die Berge, über mir ein Himmel, der sich mehr und mehr zuzog und es schliesslich schneien liess, so dass das Tal unter mir hinter einer weissen Mauer verschwand und sich die Sicht auf wenige hundert Meter verringerte. Aber das machte nicht so viel aus, weil es sowieso nur einen Weg gab. Irgendwo hier, am höchsten Punkt des Bergrückens, verlief die chilenische Grenze. Um über den Paso Verlika zu gelangen, würde ich für kurze Zeit illegal Einreisen müssen. Doch das hier oben irgendwo ein Carabinero hockte und aufpasste, dass niemand gegen internationales Recht verstiess, hielt ich für eher unwahrscheinlich.
Je weiter ich nach oben kam, desto mehr Gedanken machte ich mir über den Abstieg auf der anderen Seite, denn auf meiner topographischen Karte waren die Höhenlinien im Westen um einiges dichter eingezeichnet, was darauf schliessen liess, dass der Weg hinab viel steiler war. Aber hier mussten die Reiter aus Calafate schliesslich durchgekommen sein. So dachte ich, bis ich den höchsetn Punkt des Aufstiegs erreichte und im Schneetreiben an den Abhang trat, der nach Chile führte: Unmöglich! Unmöglich, hier mit einem Pferd hinaufzuklettern! Irgendwas war hier schief gelaufen. Doch ich hatte den einzig möglichen Weg aus jenem Tal genommen, durch das die Reiter gekommen sein sollten! Ich blickte hinab: ein Geröllhang fiel in einem steilen Winkel ab ins Tal, um keine hundert Meter weiter unten in einer Reihe von steil aufragenden Felsen zu enden – was dahinter lag, liess sich nicht erkennen. Ein weiterer Hang, eine steile Felswand? Mir wurde recht mulmig zu Mute. Der Geröllhang sah noch einigermassen machbar aus, doch eine steil abfallende Felswand würde ich nicht hinunterkommen, und das würde Umkehren und stundenlanges Zurückmarschieren zum Puesto bedeuten – keine erfreuliche Vorstellung. Auch die Steilheit des Hanges begann, mich etwas unruhig zu machen. Also zwang ich mich erstmal zu einer Pause, die ich unter dem natürlichen Schutzdach eines aus dem Fels herausgebrochenen Steines verbrachte. Ich trank den heissen Tee, den ich mir noch im Tal gekocht hatte, und ass die letzten Tortas aus dem Puesto. Allmählich bekam ich die Situation wieder in den Griff; ich würde absteigen, und falls es unterhalb der Felsen kein weiter gab, würde ich in den sauren Apfel beissen und umkehren, um meinen Weg durch die Meseta Vizcachas zu suchen. Doch mir war klar, dass ich hier an die Grenze dessen kam, was ohne speziellere Ausrüstung und mit einem schweren Rucksack, dazu allein, machbar war.
Ich packte alles zusammen, schulterte den Rucksack und stieg in den Hang. Rechts von mir verlief ein Rinnsal, dass sich im Laufe der Jahrtausende einen Weg durch die Felsen weiter unten gegraben hatte; doch ob ich dort durchkommen würde, konnte ich von meiner Position aus nicht erkennen, und hielt mich deshalb weiter links und stieg den Hang hinab, auf die Felsen zu. Dabei wollte ich nicht zu weit absteigen, um im Falle eines blockierten Weges nicht wieder hinauf und hinüber zum Rinnsal klettern zu müssen.
Vorsichtig, manchmal mehr durch das lose Geröll rutschend, kam ich zu einem Felsvorsprung, der über die Felsen weiter unten etwas hinausragte. Das sah nicht so aus, als ob man dort durchkäme. Spitze Felsen beendeten das Geröllfeld, und dahinter gab es nach meiner Vermutung nichts als eine meterweit abfallende Felswand.