Meine über zwanzig Jahre alte Karte des Instituto Geographico Militar verzeichnete einen Weg nach Norden, den es nach der Aussage der Leute, die ich am Strassenrand fragte, gar nicht gab. Blieb mir also nur die Ruta 40. Es wurde mir bald wieder zu dumm, auf einer Strasse dahinzumarschieren, und ich stieg in die Hügel in Richtung der Cordillera Chica, von den Einheimischen auch liebevoll „falsche Kordillere“ genannt. Kleine weisse Margeritas bedeckten die Wiesen wie ein Teppich. Ich war froh, wieder mit mir selbst unterwegs zu sein. Dennoch lag mir der vorzeitige Abschied von Juan Carlos und Fabiana etwas schwer im Magen.
Seltsame, schnurgerade Wege durchkreutzen die Landschaft, exakt nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet. Da die chilenische Grenze nur wenige Kilometer entfernt war, vermutete ich eine Art militärstrategische Einrichtung. Ich benutzte einen dieser Wege, um auf direkte Art und schnell nach Norden vorzustossen.
Hier sah ich nun erstmal ein Patagonien, wie ich es mir in Europa vorgestellt hatte. Eine vielleicht zwanzig Kilometer weite Ebene erstreckte sich vor mir, und an deren nördlichem Ende sah ich das Gebirge, kahl und trocken und sonnenverbrannt, und im Nordosten die Meseta Vizcachas, an deren Fuss ich die Estancia Vizcachas vorfinden sollte. Im Westen, klein und halb hinter Wolken versteckt, das Torres del Paine-Massiv. Es war aus dieser Distanz von fast hundert Kilometern vielleicht nicht ganz so imposant, dafür umsonst.
Nun, beim Marsch durch diese Landschaft, auf die die Sonne meist unerbittlich herunterbrennt, stellte sich mir zum ersten Mal die Frage: wo gibt es Wasser? Keine Flüsse waren in der Karte eingezeichnet, nur hier und da ein paar Lagunen, meist salzig. Es gab vereinzelte Estancias am Fusse der Berge, die zu erreichen aber einen erheblichen Umweg bedeutet hätte. Ich vertraute auf mein Glück und marschierte weiter nordwärts. Anderthalb Tage fand ich kein Wasser.
Bis auf eine schmutzige und schlammige Schafstränke, an der ich mir zum Kochen Wasser in meine Thermosflasche füllte. Bei der Gelegenheit fiel mir meine Kamera aus der Hemdtasche und in die brackige Brühe. Ich nahm die Batterien heraus und liess das Gerät austrockenen, und kaum zu glauben, danach funktionierte es immer noch.
Gegen mittag des folgenden Tages sah ich in der flimmernden Hitze etwas silbriges in der Pampaebene glänzen. Das musste ein Fluss sein! Ich beschleunigte meine Schritte, nachdem ich vorher peinlich darauf geachtet hatte, nicht zu sehr zu schwitzen. Verschiedene Estancias und sogar ein Polizeiposten waren auf meiner Karte verzeichnet – doch ich sah in alle Himmelsrichtungen nichts als braunen Boden und dunkles Buschwerk, dass sich wie ein Meer über die Pampa verteilte und schwierig zu durchwandern war.
Deswegen war ich froh, als sich das silberne Glänzen tatsächlich als Wasserlauf herausstellte und ich zudem, in einiger Entfernung noch, mehrere Hütten ausmachen konnte, die offenbar am Ufer des Flusses gebaut worden waren. Doch eine Estancia war das nicht, und ich erwartete eher irgendeinen verlassenen Puesto.
Und erst, als ich herangekommen war und praktisch bereits an der Pforte des Grundstückes stand, sah ich die Hauptgebäude der Estancia, die, von der Ebene aus unsichtbar, im tiefer gelegenen Flussbett erbaut worden waren. Hier gab es Wasser, ausreichend und ohne Ende.