Kaum zurück im ruhigen Wasser der Bucht, als ich mich auch schon wieder besser fühlte und sich mein Magen mit einem ordentlichen Appetit zurückmeldete.
Der Rest des Tages wurde mit Faulenzen und kleinen Arbeiten verbracht. Ich lernte ein paar neue Seemannsknoten, die ich mir genau in mein Notizbuch notierte. Einer davon brachte mich schier zur Verzweiflung, bis ich merkte, dass es der ganz normale Schnürsenkelknoten war, auf eine neue Art angewendet.
Einem halben Dutzend der gefangenen Centollas wurden die Beine ausgerissen und gekocht, und dann sassen wir alle auf Deck und pulten das Fleisch aus dem Panzer der Tiere. Das Ganze kam in eine Art Gratinform, zur späteren Zubereitung des Abendessens.
Ich zeigte den dreien auch die Bilder meiner bisherigen Reise, und als Manuel das Foto von meinem Geburtstagsessen sah, war er verblüfft – den Brocken Fleisch hatte es ja tatsächlich gegeben! Im Zusammenhang mit dem Umstand, dass Manuel ein Tehuelche-Mestize war, erinnerte mich das erneut an die von C. Musters beschriebenen Charakteristiken dieser ehemals legendären Jäger: die Tehuelche hatten nämlich die Angewohnheit, in kleineren Dingen schlichtweg die Unwahrheit zu sagen. Bei grossen Dingen von Bedeutung, wenn es zum Beispiel um den Fortbestand ihrer Sippe oder die Verhandlung von irgendwelchen Jagdrechten ging, hielten sie sich jedoch strikt an die Wahrheit. Auch Musters hatte mit dieser Neigung zum Flunkern Bekanntschaft gemacht, bis die Tehuelche merkten, dass er für seinen Teil sich immer an die Wahrheit hielt, und von da an hörten sie zumindest ihm gegenüber auf mit den falschen Geschichten. Auch Manuel war ganz offensichtlich davon ausgegangen, dass ich bei meinen Erzählungen das eine oder andere hinzuerfunden hatte. Dass er nun quasi den digitalen Beweis meiner Aussagen vor sich sah, schien seine Einstellung mir gegenüber im Positiven zu verändern.
Dann endlich ging es zu Tisch: Manuel hatte eine Centollaplatte hergerichtet, die unter anderem aus dem Fleisch der Tiere, Mayonnaise, Zwiebeln und Kräutern bestand, dazu gab es frisch frittierte Tortas. Eine Gabel voll von dieser Platte und ein herzhafter Biss in eines der Brötchen, und ich war im siebten Himmel. Das mit Abstand unglaublich Beste, was ich auf meiner Reise bisher gegessen hatte.
Seit meinem Aufbruch von Rio Grande war nun schon eine ganze Zeit vergangen, und ich hatte erst die Hälfte des Weges nach Puerto Arturo geschafft, von den über zweihundert Kilometern nach Porvenir ganz zu schweigen. So verabschiedete ich mich am nächsten Tag von meinen Fischerfreunden und blickte ihnen nach, als sie erneut aus der Bucht ausliefen. Noch zwei Tage, dann war die Saison vorrüber und sie würden nach Punta Arenas zurückkehren.
Ich für meinen Teil musste nun über die Berge, und ich merkte bald, dass es sich oberhalb der Baumgrenze viel besser marschieren liess als unten in der nassen und bewaldeten Ebene. Zwischen den Bergen gab es in Ost-Westrichtung keine Täler, sondern die Bergflanken waren wie zusammengewachsen, dazu gab es wieder überall die Pfade der Guanacos, so dass ich nach nur zwei Nächten bereits in die Nähe des Whitesidekanals kam, der Westküste Feuerlands.
Ich scheuchte eine brütende Gans in einem Gebüsch auf, doch die Eier enthielten nur kleine Kücken – ich briet sie mir zur Mittagspause über einem Feuer.
Dann kam ich in die Nähe der Küste; die Gegend war dicht mit Wald bewachsen. Stundenlang musste ich mich mit der Machete durch die Vegetation schlagen, bis ich auf einmal merkte, dass ich auf einer Strasse stand. Die Küstenstrasse nach Puerto Arturo und Puerto Yartou! Der Wald war so dicht gewesen, dass ich sie erst bemerkte, als ich quasi bereits auf ihr ging. Meiner Kehle entfloh ein grosser legendärer Freudenjauchzer: ich hatte es geschafft! Durch die Berge und Sumpfebenen und Wälder war ich vom Lago Blanco an die Westküste gelangt, und es hatte sich mal wieder gezeigt, dass man sich vom Geschwätz nicht abhalten lassen sollte. Ich zeltete am Strand und schlief ein in der Gewissheit, dass von nun an alles ganz einfach werden würde.