Als ich gerade mit meinem Essen beschäftigt war, hörte ich auf einmal aus der Richtung meines Zeltes ein seltsames, fauchendes und zischendes Geräusch. Ich drehte mich um und traute meinen Augen nicht: hinter meinem Zelt hockte ein Biber von etwa der Grösse, wie ich ihn neulich zusammen mit dem Fallensteller aus dem Wasser gezogen hatte! Ganz offensichtlich hatte ich mein Zelt auf einem Pfad platziert, den er benutzte, um Abends zurück zu seinem See zu gelangen. Nun hockte er da und schien nicht weiterzuwissen.
Ich ging hin und stubste ihn mit meinem Trekkingstock ein wenig in die Seite. Der Biber fauchte und – griff an! Vor lauter Überraschung stolperte ich ein paar Schritte zurück, dann zog ich ihm mit meinem Stock eins über den Schädel. Das schien ihn erstmal ein wenig abzukühlen. Ich überlegte: ein, zwei Schläge mit der Machete, und ich hätte leckeres Biberfleisch im Überfluss. Doch die Verwirrung des Nagers über seinen plötzlich versperrten Feierabendweg schien so offensichtlich und dabei so verständlich, fast menschlich, dass ich, verwichlichter Grossstädter der ich nunmal bin, die Machete stecken liess.
Während ich so vor mich hin überlegte, hatte sich der Biber scheinbar wieder gesammelt und kam mit einem Satz auf mich zugesprungen, wobei der die hintere Sturmabspannung des Zeltes mit sich riss! Ich versetzte ihn wieder einen Schlag mit dem Stock, und erneut zog er sich ein paar Schritte zurück. Das Vieh konnte sich auf einen ordentlichen Kopfschmerz gefasst machen.
Da mein Essen weiterhin vor sich hinkochte, liess ich den Biber einfach sitzen und ging hinüber zum Feuer. Hin und wieder blickte ich zurück: er schien anstalten zu machen, links oder rechts am Zelt vorbeizugehen, war sich aber offensichtlich nicht schlüssig, in welche Richtung er sich wenden sollte. Endlich fasste er sich ein Herz und watschelte vorbei, hin zu seinem See. Und ich konnte endlich essen.
Von der Höhe des Hügels aus hatte ich wiederum einen sehr guten Weitblick, und ich sah, dass die Reihe der Berge im Süden an einer Stelle durchbrochen war und mit somit die Möglichkeit bot, an den Almirantazgo-Fjord zu gelangen. Es musste die Stelle sein, an der der Rio Parallela in den Fjord mündet. Es war der siebenundzwanzigste November, und ich schätzte die Strecke auf anderthalb Tagesmärsche. Am neunundzwanzigsten, meinem Geburtstag, würde ich also einen Pausentag an der Küste einlegen können, klasse.
Als ich dann am nächsten Tag tatsächlich in die Nähe des Meeres kam, mehrten sich die Anzeichen menschlicher Anwesenheit: es gab einen Pfad, umgesägte Bäume, sogar eine Art aus Holzstämmen gefertigten Weg durch die Turbia. Gab es hier etwa eine Estancia, und wenn ja, warum hatte mir dann niemand davon erzählt? Auf meiner Karte war natürlich nichts eingezeichnet, und niemand hatt mir je etwas von Menschen erzählt, die hier in aller Abgeschiedenheit lebten und arbeiteten. Der letzte Hügel vor der Küste brachte dann Licht in die Sache; ich sah vor mir, vielleicht fünf oder sechs Kilometer breit, den Almirantazgo-Fjord, im Süden begrenzt von den schneebedeckten Zweitausendern der Darwin-Kordillere. Zu meiner linken bildete der Rio Parallela ein Flussdelta mit grünen Wiesen und Bäumen, und dort erblickte ich tatsächlich ein Reihe von kleinen Gebäuden. Zu meiner rechten, im Westen, formte die Küste eine kleine Bucht, und dort lag, geschützt vor dem stetig heulenden Wind, ein Fischerboot vor Anker. So menschenleer schien es hier ja doch nicht zu sein.
Direkt vor mir, am Fusse des Hügels, auf dem ich stand, hatte ich einen kleinen Fleck grüner Wiese ausgemacht, der mir wie gemacht zum lagern erschien. Nach Tagen der morastigen Turbia mal wieder auf einer grünen Wiese zu campen, dazu noch an meinem Geburtstag, die Vorstellung schien in diesem Moment fast zu gut zu sein.