Meine Schlafstätte wurde mir zugewiesen; ich teilte mir das Zimmer mit Lilo, einem anderen Arbeiter, der ein besonders guter Tischler war. Der Raum war voller geheimnisvoller Gegenstände: Riemen, Zaumzeug, Steinschleuder an der Wand, 22er Karabiner über dem Bett (mit Zielfernrohr), Lederstiefel und Gamaschen aus Schafsfell am Boden. Es waren die Arbeitsutensilien von Lilo, und hier auf dem Lande waren das alles ganz normale Dinge. Später entdeckte ich sogar eine Bola, jenes für mich legendäre Jagdinstrument der Tehuelche: Drei Lederriemen, am einen Ende miteinander verbunden, am anderen Ende mit einem Stein- oder Metallgewicht. Diese Riemen wurden, in vollem Galopp, einem Guanaco vor die Beine geworfen, umwickelten diese und brachten das Tier zu Fall. Und wie man mir sagte, werden sie auch heute noch zu genau diesem Zwecke verwendet, obwohl das Guanaco geschützt ist…
Nachdem mir mein Quartier zugewiesen worden war, ging ich erstmal wieder rüber in Sandros Hütte zum duschen. Das Fleisch köchelte bereits auf dem Ofen. Ich versuchte mich ein wenig mit den anderen am Ofen des Arbeiterhauses zu unterhalten, dann ging’s wieder rüber zum Essen. Als Nachtisch spendierte ich den Arbeitern sowie Sandro und seiner Familie zwei meiner vier wertvollen Nougattafeln, und ich glaube, sie mochten das Zeug nichtmal besonders – es war ihnen zu süss.
Abends gab es zwei Stunden lang Strom vom Generator, und wir guckten fern. Davor war ich noch „formell“ Don Eduardo, oder einfach Eduardo, vorgestellt worden, um bei ihm quasi die Permiso zum Übernachten auf der Estancia einzuholen. Wir unterhielten uns ein wenig über die Pferde, und ich teilte ihm mit, wie gerne ich mehr über die Arbeit mit diesen Tieren, sprich: das Reiten, lernen würde. Er reagierte nicht unfreundlich, doch ohne irgendwelche Zusagen. Sandro hatte mir noch versprochen, am nächsten Tag mit Eduardo über meine Mitarbeit auf der Estancia zu sprechen. Ich fasste das so auf, dass ich am nächsten Morgen um fünf Uhr gleich mit ihm gehen sollte; Lilo, Sandro, der Patron sowie Gastons Vater machten sich nämlich zu Pferde auf in die Berge, um irgendwelche Kühe zusammenzutreiben.
Doch am nächsten Morgen in aller Frühe musste ich feststellen, dass das so nicht geplant war, und es gab, nebenbei gesprochen, auch kein freies Pferd, und vom Reiten hatte ich sowieso keinen Plan. Also kletterte ich wieder in die Koje und frühstückte dann mit den anderen gegen sieben Uhr im Essensraum.
Ich verbrachte den Vormittag damit, Mario dem Maler und seinem Gehilfen Christian beim Streichen der Garage zu helfen. Ich arbeitete dabei auf der dem Haupgebäude zugewandten Rück-, Christian auf der Vorderseite. Auf einmal krachte es, und Christian kam um die Ecke gehinkt, über und über mit grüner Farbe bekleckert; er war von der Leiter gekracht und hatte den Farbeimer mitgerissen. Ich konnte mir bei diesem Anblick ein Lachen einfach nicht verkneifen, obwohl er sich ernsthaft weh getan hatte und den Rest des Tages aussetzen musste. Auch ich hatte keine grosse Lust zu Malerarbeiten, zumal ich begriffen hatte, dass Mario selbstständig und kein Mitarbeiter der Estancia war, und ich somit für ihn, und nicht für Eduardo arbeitete.
Dieser kam dann auch gegen Mittag aus den Bergen zurück, richtete aber ausser einem Gruss kein weiteres Wort an mich, was mich zusätzlich frustrierte. Irgendwie schaffte ich es auch nicht, ihn auf meine eigene Mitarbeit auf der Estancia anzusprechen – vielleicht, weil ich mir unter einem Estanciero noch zu viel vorstellte?